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Freiburg, im Juni 2018
Name:
Hans-Ulrich Sorg
Aufgabenbereich:
Regionalleiter
Wie ist der Ausbildungsgang zum Hörgeräteakustikmeister?
Hans-Ulrich Sorg: Das ist eine handwerkliche Ausbildung. Ich zum Beispiel habe eine dreijährige Lehre absolviert, dann war ich drei Jahre Geselle. Damals war das noch so vorgeschrieben: Man musste drei Gesellenjahre vorweisen, bevor man die Meisterprüfung abgelegen konnte. Heute kann man die Meisterprüfung direkt an die Gesellenprüfung anschließen.
Belegt man dann einen Meisterkurs?
Hans-Ulrich Sorg: Theoretisch könnte man einfach die Meisterprüfung ablegen, praktisch hätte man allerdings keine Chance zu bestehen. Es gibt verschiedene Wege, sich auf die Meisterprüfung vorzubereite. Von Wochenendkursen bis zu einem Jahr Vollzeitschule. Die Prüfung ist durchaus anspruchsvoll. Nicht jeder schafft die Prüfung im ersten Versuch.
Sind die Anforderungen inzwischen angestiegen?
Hans-Ulrich Sorg: Sie verlagern sich. Viele Grundlagen, die wir vor 20 oder 30 Jahren vermittelt bekommen haben, werden heute nicht mehr vermittelt. Dafür sind andere Inhalte hinzugekommen, deutlich mehr Psychologie, was natürlich heute sinnvoller ist, als die Funktionen eines Transistors oder Kondensators zu kennen. Auch Löten und bestimmte handwerkliche Fähigkeiten, die man damals beherrschen musste um Taschengeräte zu reparieren, braucht man heute nicht mehr. Also findet insofern eine Verlagerung statt. Ich würde nicht sagen, dass der Beruf bzw. die Ausbildung heute schwieriger geworden ist.
Das Terzo-Zentrum in Freiburg – Wie lange gibt es das jetzt?
Hans-Ulrich Sorg: Das Freiburger Terzo-Zentrum wurde 2006 von meinem Bruder gegründet. Damals noch unter dem Namen „Sorg Hörsysteme“. Erst später wurde in „Terzo Zentrum“ umbenannt. Insgesamt sind wir, mit mir, fünf Mitarbeiter. Ich bin Angestellter der ISMA GmbH & Co KG, unter der heute 64 Fachgeschäfte firmieren, alle als Terzo-Zentren. Diese GmbH gehört wiederum zur Sonova Retail Deutschland AG. Darunter versammeln sich neben den Fachgeschäften der Isma noch verschiedene andere Marken.
Zu Ihren Arbeitsbereichen: Hörgeräte anzupassen gehört, neben Ihrem Kernbereich Terzo Gehörtherapie, auch zu Ihren Aufgaben?
Hans-Ulrich Sorg: Ja, neben mir sind 3 Kolleginnen Hörakustiker. Das Anpassen der Hörgeräte ist also unsere Kernkompetenz. Was die Hörgerätetechnik angeht, kochen wir exakt mit dem selben Wasser wie unsere Kollegen auch. Aber wir unterscheiden uns durch das Anpasskonzept und das ist die Terzo Gehörtherapie.
Hörgeräte hatten früher keinen guten Ruf. Hat sich da aus Ihrer Sicht etwas geändert?
Hans-Ulrich Sorg: Auf jeden Fall! Die Hörgeräte sind von der technischen Seite her besser geworden. Aber inzwischen versteht man auch besser, dass es nicht nur auf die Technik ankommt, sondern dass die Hörverarbeitung eine wichtige Rolle spielt. Das muss man bei der Anpassung von Hörgeräten berücksichtigen. Wenn man das ganz grob erklären will: Das Ohr hört nur, verstanden wird im Gehirn. Das Hörgerät kann jedoch nur die fehlende Funktion des Ohres ersetzen, nicht mehr. In der Folge einer Hörbeeinträchtigung ist es aber leider so, dass die Hörverarbeitung auch leidet, dass man nicht mehr in der Lage ist, seinen Fokus auf bestimmte Geräusche oder bestimmte Informationen zu lenken. Man wird dann durch andere Geräusche sehr stark abgelenkt.
Das ist bei einem Schwerhörigen durchaus auch schon so. Speziell in geräuschvollen Situationen kommen die betroffenen an die Grenzen des Verstehens. Einmal weil bestimmte Sprachanteile zu leise oder gar nicht gehört werden, aber auch, weil alle Stimmen und Geräusche vermischt werden. Bekommt er dann ein Hörgerät kommt es häufig vor, dass zwar deutlich mehr und lauter gehört wird, die Stimmen und Geräusche können aber trotzdem schlecht ausgefiltert werden. Das wird dann gerne dem Hörgerät angelastet: Das verstärkt ja alles, auch das, was ich gar nicht hören will. Und damit sind wir beim Punkt: Diese Fähigkeit zu filtern ist eine kognitive Fähigkeit, die uns in die Lage versetzt, uns auf einen bestimmten Sprecher, auf bestimmte Inhalte, auf bestimmte Geräusche zu konzentrieren. Diese Fähigkeit geht Laufe eines Hörverlustes verloren. Je länger dieser Hörverlust unversorgt andauert, umso schwieriger ist es dann, sich an ein Hörgerät zu gewöhnen. Deswegen appelliert man schon seit Jahren: Wenn Hörgerät, dann so früh wie möglich, damit diese kognitiven Fähigkeiten nicht zu weit abgebaut werden.
Manche meinen das ist eine Marketingaussage, um frühzeitig Hörgeräte zu verkaufen?
Hans-Ulrich Sorg: Ich halte solche Aussagen für unverantwortlich. Ich habe gerade das „Vergnügen“ meine Mutter zu versorgen, Erstversorgung, sie ist 82 Jahre alt, und wir reden schon seit Jahren darüber und jetzt hat sie das Hörgerät und jetzt sagt sie: „Alles so laut, alles so viel“. Nur hab ich jetzt mit der Terzo Gehörtherapie die Möglichkeit, ihr ein Werkzeug an die Hand zu geben. Erstmal kann man ein Verständnis dafür schaffen, was es mit der Hörverarbeitung auf sich hat, damit sie in einem zweiten Schritt aktiv Übungen macht um genau diese Hörfilter wieder zu reaktivieren.
Sie sprachen gerade vom Hörfilter. Was versteht man darunter?
Hans-Ulrich Sorg: Ein ganz praktisches Bespiel: Ein Hörfilter ermöglicht uns bei einer Uhr, die hörbar tickt, das Ticken auszufiltern. Mein Ohr hört das Ticken, aber mein Gehirn nimmt es nicht wahr. Oder wenn ich an einer belebten Straße wohne und ein LKW vorbeirauscht: Diese Geräusche höre ich, nehme sie aber nicht bewusst wahr. Diese Hörfilter ermöglichen mir außerdem, wenn ich in Gesellschaft bin, dass ich mich auf einen Sprecher konzentriere, die anderen Sprecher zwar höre, jedoch nicht wahrnehme. Der Hörfilter ist eine rein kognitive Fähigkeit.
Selbst mit der hochentwickelten Technik eines Hörgerätes kann diese Funktion nicht vollständig ersetzt werden. Ein Hörgerät kann zwar Sprache und Geräusch unterscheiden und unterschiedlich gewichtet verstärken. Es kann aber bei einem Stimmengewirr nicht entscheiden, welcher Stimme ich zuhören will. Das schafft nur unser Hörzentrum mit intakten Hörfiltern.
Die Krankenkassen verlangen eine bestimmte Schwerhörigkeit, bevor erstmals die Kosten übernommen werden bzw. ein Zuschuss gezahlt wird. Ist das dann nicht eigentlich kontraproduktiv?
Hans-Ulrich Sorg: Also in der Regel macht das schon Sinn, denn man muss ja, um sich für ein Hörgerät zu entscheiden, einen gewissen Unterschied hören und das ist gegeben, wenn die Indikation erfüllt ist. Außerhalb der Indikation ist das bei einer normalen Schwerhörigkeit nicht unbedingt so gegeben. Wobei man nicht alle Leute über einen Kamm scheren kann. Es gibt da sensiblere, die schon eine geringere Schwerhörigkeit deutlich merken und die würden dann schon früher von einem Hörgerät profitieren. Andere, die sind schon satt in der Indikation drin und sagen: Ich merke nichts, mir geht’s gut und ich brauche nichts. Aber grundsätzlich bin ich mit dieser Grenze durchaus einverstanden. Allerdings kommen die meisten Schwerhörigen erst, wenn die Indikationsgrenze schon deutlich überschritten ist.
Gilt das auch für Tinnitusfälle? Sie bieten da eine spezielle Leistung an: die Terzo Tinnitus-Therapie.
Hans-Ulrich Sorg: Es schaut anders aus, wenn jemand Tinnitus hat. Da passen wir auch Hörgeräte außerhalb des Indikationsbereichs an. Mit sehr gutem Erfolg, weil wir dadurch eine deutlich bessere Tinnitus Maskierung erreichen. Maskierung ist vielleicht das falsche Wort, besser passt Umspülung. Ziel der Hörgeräteanpassung ist nicht, dass man den Tinnitus gar nicht mehr wahrnimmt, sondern, dass er deutlich geringer wahrgenommen wird und dadurch nicht mehr stört.
Tinnitus betrifft in den meisten Fällen Menschen, die auch einen Hörverlust haben. Die Wissenschaft spricht von 80-90% der Tinnitus Betroffenen. Den Hörverlust empfinden sie oft deswegen, weil sie in einem bestimmten Bereich weniger hören. Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Raum, in dem es absolut still ist. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass mehr als 90% sagen: „Ich habe Geräusche wahrgenommen.“. In schallarmer Umgebung empfindet fast jeder Ohrgeräusche. In der Regel nimmt man die nicht wahr, weil auch hier die Hörfilter eingreifen und die Wahrnehmung der Geräusche ausblenden. Das ist eine vergleichbare Situation von Tinnitus Betroffenen und Schwerhörigen. Wenn sie in einem bestimmten Frequenzbereich keinen Input haben und nichts hören, nichts auf das sie ihre Aufmerksamkeit lenken können, dann hat man eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Tinnitus entwickelt. Dann ist es auch logisch, dass man den Hörverlust konsequent ausgleicht mit einem begleitenden Gehörtraining. Auch bei Tinnitusbetroffenen geht es darum die Wahrnehmung auf Geräusche zu lenken, die ich hören will. Entsprechend „Störgeräusche“ und damit auch den Tinnitus ausblenden.
Welche Kosten entstehen für Ihre Kunden durch den Trainingsaspekt der Terzo-Gehörtherapie oder Tinnitus-Therapie? Ist das eine größere Investion?
Hans-Ulrich Sorg: Wenn man bei uns Hörgeräte erwirbt, kostet das nichts extra, unabhängig von der Art des Hörgeräts. Egal, ob man jetzt ein Kassenhörgerät oder ein hochpreisiges Hörgerät erwirbt: Das ist bei uns immer inklusive.
Wir bieten auch den Hörgeräteträgern die Möglichkeit das Training durchzuführen, die bereits Hörgeräte erworben haben und merken, dass sie nicht den Nutzen haben, den sie sich wünschen. Die bezahlen eine Pauschale von 392,-€ für die Durchführung des Trainings. Wobei wir so selbstbewusst sein können und diesen Betrag nur dann in Rechnung stellen, wenn das Training erfolgreich absolviert wurde.
Das ist ja sicherlich abhängig von der persönlichen Situation. Der eine ist häufig in „schwierigen“ Situationen, ein anderer überwiegend in „einfachen“ Situationen.
Hans-Ulrich Sorg: Ja, keine Frage, das ist situationsabhängig, das ist hörverlustabhängig, das ist hörentwöhnungsabhängig. Es gibt viele Faktoren, die eine Rolle spielen. Richtig ist, dass nicht jeder Hörgeräteträger die Gehörtherapie durchführen muss, aber die meisten profitieren davon und haben einen gesteigerten Nutzen.
Was ist Ihre Beratungsphilosophie?
Hans-Ulrich Sorg: Die ist ganz eng mit der Information rund um die Terzo Gehörtherapie verknüpft: Wir wollen dem Kunden lösungsorientiert begegnen, indem wir seinen Hörbedarf ermitteln, ihn informieren, kompetent machen, erklären wie das Hören funktioniert und wie wir ihm den optimalen Hörausgleich verschaffen können mit seiner aktiven Mitarbeit.
Wir danken für dieses Gespräch!
Die Freiburger Hörgeräte-Fachgeschäfte werden getragen von ihren Mitarbeitern. Mit ihrem Engagement steht und fällt die Qualität der Beratung. Hier stellen wir in Kurzinterviews Beraterinnen und Berater vor.